Die Facette Toolset
Dieser Blogbeitrag ist Teil eines Vierklangs, wozu auch das Ruleset, Mindset sowie Skillset gehören und baut inhaltlich auf den einführenden Teil zur Zeitautonomie auf, in welchem auch die Medien- und Literaturhinweise hinterlegt sind.
Inhalt
Social-Collaboration-Tools
Immer mehr Beschäftigte fordern heute ein Mitspracherecht bei Entscheidungen, vor allem darüber wann, wo und wie sie individuell arbeiten. Da sich heutige Unternehmen immer öfter in Richtung agiler Organisationen entwickeln möchten, wird auf dieses Mitspracherecht sowie auf eine bessere Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden oder mit den Führungskräften besonders Wert gelegt. Diese Form der Zusammenarbeit, sei sie zur kollaborativen Entscheidungsfindung, Kommunikation oder Wissensproduktion gedacht, wird heute in Unternehmen häufig durch digitale Tools unterstützt.
Diese sogenannten Social-Collaboration-Tools sind Werkzeuge oder Methoden, die als eine Art Umsetzungshelfer oder -erleichterer dienen und sich durch eine besondere Benutzerfreundlichkeit auszeichnen sollen (vgl. Klünder und Rammert 2019, S. 7). Sie sollen also von den Mitarbeitenden leicht erlernbar sein und die bereits vorhandenen Kompetenzen (Skillset) unterstützen oder erweitern. Als Social-Collaboration-Tools werden häufig sogenannte digitale Plattformen oder Social Software verwendet, die es den Akteur*innen ermöglichen, sich untereinander auszutauschen und mediale Inhalte einzeln, gemeinschaftlich oder im sozialen Handlungszusammenhang zu erstellen (vgl. Klier 2016).
Eigenschaften von Social-Collaboration-Tools
Welche Eigenschaften muss so eine digitale Plattform zur sozialen Kollaboration nun eigentlich haben?Laut der deutschen Social-Collaboration-Studie 2018 der Unternehmensberatung Campana & Schott und dem Fachbereich Wirtschaftsinformatik der Technischen Universität Darmstadt bei der über 1.400 MitarbeiterInnen in Deutschland und der Schweiz zu ihren Erfahrungen mit der vernetzten Zusammenarbeit befragt wurden, ist jede*r zweite Mitarbeitende mit den eingesetzten digitalen Tools unzufrieden und wünscht sich vor allem einfache, intuitiv bedienbare Anwendungen, einen ortsunabhängigen Zugriff auf Dokumente und eine höhere Verfügbarkeit von cloudbasierten Tools (vgl. Kroker 2018).
Daran lässt sich eine klare Erwartungshaltung der Mitarbeitenden erkennen. Das digitale Tool zur sozialen Kollaboration soll vor allem leicht bedienbar und flexibel nutzbar sein, bspw. auch im Home-Office. Insbesondere die Verwendung von open source, also transparenten Anwendungen, die für alle Mitarbeitenden einsehbar und zugänglich sind, unterstützt die soziale Kollaboration aller, die am Prozess teilhaben möchten.
Eine weitere wichtige Rolle beim Einsatz von Tools zur sozialen Kollaboration spielt sicherlich auch die Freiwilligkeit der Inanspruchnahme. Die Mitarbeitenden sollten selbst entscheiden können, ob der Einsatz eines Tools im Hinblick auf ihre Kompetenzen oder das angestrebte, gemeinsame Ziel überhaupt erfolgversprechend ist. So gibt es verschiedenste digitale Plattformen zur Kollaboration, die unterschiedliche Ziele verfolgen. Beispielsweise kann durch ein Wiki an einer gemeinsamen Textproduktion gearbeitet werden, durch Foren gemeinsame Fragen beantwortet oder durch Profile der Personen, wie bspw. auf Social Media Plattformen, Kolleg*innen besser kennengelernt werden.
Für solche unterschiedlichen Zielsetzungen eignen sich besonders Plattformen mit einer sogenannten nutzungsoffenen Anwendungssoftware, auch Enterprise Social Software genannt. Denn im Gegensatz zu einer zweckgebundenen Anwendungssoftware, bei der vor allem eine vorgeschriebene und spezifische Zielsetzung verfolgt werden kann, ist die nutzungsoffene Anwendungssoftware besonders vielfältig, flexibel und explorativ einsetzbar (vgl. Richter und Riemer 2013, S. 193f.).
Letztlich lässt sich deshalb nur nochmals wiederholen, dass die alleinige Verfügbarkeit und Anwendbarkeit eines solchen Social-Collaboration-Tools zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung dafür darstellt, dass eine Social Collaboration tatsächlich stattfindet (vgl. Klier 2015). Es kommt also darauf an, dass dieses Tool für die Zwecke der Zusammenarbeit sinnvoll eingesetzt wird, das Management den Einsatz des Tools klar kommuniziert und eine breite Aufmerksamkeit schafft sowie auf eine bestimmte Einstellung der Mitarbeitenden zur Kooperation setzt (siehe: Die Facette Mindset).
Ergebnisse der Social-Collaboration-Studie
Im Fokus des Social-Collaboration-Tools sollte allerdings die Unterstützung der Zusammenarbeit von individuellen Mitarbeitenden am gemeinsamen Gestaltungsprozess stehen. Doch kann dies wirklich gewährleistet werden? Laut der bereits erwähnten Social-Collaboration-Studie 2018 berichtet jede*r zweite Mitarbeitende von einer besseren Zusammenarbeit und Kommunikation in den Teams oder Hierarchieebenen sowie den besseren Austausch und die Umsetzung von Ideen (vgl. Kroker 2018). Es konnte in dieser Studie also nachgewiesen werden, dass der Einsatz von digitalen Tools die soziale Kollaboration in Unternehmen durchaus unterstützen kann.
Und nicht nur das: Es wurde außerdem festgestellt, dass Mitarbeitende, die häufiger Social-Collaboration-Tools einsetzen bis zu 30 Prozent effizienter arbeiten und motivierter sind (vgl. ebd.). Doch was genau führt dazu, dass die Mitarbeitenden so viel engagierter arbeiten? Von den Social-Collaboration-Tools versprechen sie sich laut der Studie zumindest mehr Spaß am Arbeitsplatz sowie eine bessere Work-Life-Balance (vgl. ebd.). Die Tools sollen ihnen also dabei helfen, ihren Lebensalltag besser und vor allem flexibler gestalten zu können und somit einen autonomen Umgang mit der eigenen Zeit bieten. Wie eine bessere Zeitautonomie durch das Toolset in Unternehmen dann im Detail erreicht werden kann, lesen sie in der Synthese Die vier Facetten sozialer Zeitautonomie.
Die Facette Toolset und soziale Zeitautonomie
Um eine soziale Zeitautonomie in Unternehmen zu schaffen, ist vor allem das Toolset zur Entscheidungsfindung von Relevanz. In klassischen, tayloristischen Unternehmen werden Entscheidungen häufig von Führungskräften getroffen. Dies spiegelt sich auch in den Regeln des klassischen Zeitmanagements wieder, da durch eine solche punktuell getroffene Entscheidung vermeintlich Zeit eingespart wird. Solche Entscheidungen können sich aber insbesondere bei der Umsetzung in die Länge ziehen, da erneut Zeit für die nachträgliche Zustimmung aufgewendet werden muss oder eine generelle Resistenz, gegenüber der Entscheidung, die weiteren Prozesse verzögert (vgl. Klier 2021, S. 9).
Kollaborative Entscheidungsfindung
In agilen Organisationen sollen, wie bereits erwähnt wurde, Mitarbeitende in den Entscheidungsprozess miteinbezogen werden und Mehrheitsentscheidungen getroffen werden. Diese sind zwar in erster Linie zeitaufwändiger, haben aber in der Umsetzung mit wenig Widerstand zu rechnen und gelten außerdem als qualitativ hochwertiger (vgl. ebd.). So kann der*die individuelle Mitarbeitende am Entscheidungsprozess teilhaben, bereits persönlich Einfluss auf spätere Abläufe nehmen und somit seine Lebenszeit besser und autonomer planen und strukturieren. Zusätzlich können vor allem komplexe Themen besser und genauer bearbeitet werden, da die Informationsgewinnung auf mehreren Schultern mit verschiedensten Kompetenzen verteilt wird (vgl. ebd. S. 9).
Um noch mehr zeitliche Autonomie in Unternehmen zu erreichen, ist es von besonderer Bedeutung den Zeitaufwand für die Entscheidungsfindung auch richtig zu erfassen. Denn häufig werden mentale oder kommunikative Leistungen, die dafür notwendig sind, nicht in der Zeiterfassung berücksichtigt oder keine Tools bereitgestellt, um eine solche Kommunikation zu erleichtern (vgl. ebd. S. 6). Dabei gibt es viele verschiedene Werkzeuge, die sich besonders für eine kollaborative Entscheidungsfindung eignen.
Als Beispiel soll hier kurz das Systemische Konsensieren genannt werden. Hierbei erfolgt eine sogenannte Widerstandsabfrage, bei der im Verlauf verschiedenste Einwände durch eine Diskussion minimiert werden sollen (vgl. ebd. S. 8). So eine Diskussion kann sich, wie man sich vorstellen kann, ganz schön in die Länge ziehen. Es ist deshalb die Aufgabe der Organisation bzw. der Führung leicht verständliche und sinnvolle Tools zur Entscheidungsfindung bereitzustellen sowie genügend Zeit für den Prozess – vielleicht sogar auch Puffer – einzuplanen, um eine autonome Zeitplanung der Mitarbeitenden gewährleisten zu können.
Soziale Zeitautonomie im Vierklang
Letztlich lässt sich sagen, dass durch das bloße Bereitstellen des Toolsets weder eine soziale Kollaboration noch eine bessere Zeitautonomie zu erwarten ist. Nur das Zusammenspiel der Einstellungen der Mitarbeitenden zur Kollaboration (Mindset), den Kompetenzen, die die Mitarbeitenden zur Kollaboration, vor allem im digitalen Handlungsraum, benötigen (Skillset) sowie dem Regelwerk (Ruleset) der Organisation, welches eine Kollaboration und autonome Zeitgestaltung zulässt, führen zum Erfolg.
Informationen zu den anderen Facetten von sozialer Zeitautonomie findet ihr deshalb hier: Die Facette Ruleset, Die Facette Mindset, Die Facette Skillset.