Agilität als Basis im Wandel

Agilität als Basis im Wandel

Lesezeit (inkl. Mediennachweis): 7 Minuten

Wir sind Cleo-Leona Stilp (rechts) und Hana von Loeper (links), Studierende der Hochschule München im Master Gesellschaftlicher Wandel und Teilhabe. Wir durften im Rahmen des Kurses “Organisationen und ihre Handlungsressourcen” von Dr. Alexander Klier unter anderem einiges über die Digitalisierung von Organisationen lernen und einen Blogbeitrag zu unserem Favoriten der Themen, eine agile Entwicklung von Organisationen, erstellen.

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Aufgrund der aktuelle Bedrohung durch Corona sehen viele Unternehmen in Deutschland erhöhte Risiken in ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten, weil sie nicht mehr für die optimale gesundheitliche Lage ihrer Mitarbeiter garantieren können, jedoch durch deren physische Abwesenheit erhebliche Verluste erzielen würden. Aufgrund dieser Tatsache sind die Organisationen vor allem aktuell gezwungen ihre Agilität unter Beweis zu stellen und sich Alternativen einfallen zu lassen, wie die Mitarbeiter ihre Arbeit praktizieren können.
Inzwischen existieren Publikationen zu diesem Thema, welche die Ansicht vertreten, das Homeoffice würde neue Perspektiven für die Wirtschaft und Praxis in Bezug auf Flexibilität von Organisationen eröffnen. (vgl. Herrmann 2020, S. 3ff) Dieser Blogeintrag soll demnach darlegen, welche Umwelteinflüsse für die Notwendigkeit eins agilen Umdenkens sorgen und welchen Vorteil Agilität für Ihre Organisation bedeutet. 

»Wenn du schnell gehen willst, gehe allein. Wenn du weit kommen willst, gehe zusammen.«

Afrikanisches Sprichwort

Zunächst einmal: Was bedeutet Agilität überhaupt?

“Agilität ist die Fähigkeit der Informationsfunktion eines Unternehmens, Vorbereitungen zu treffen, um auf wechselnde Kapazitätsansprüche sowie veränderte funktionale Anforderungen sehr schnell, möglichst in Echtzeit, zu reagieren sowie die Möglichkeiten der Informationstechnologie derart nutzen zu können, dass der fachliche Spielraum des Unternehmens erweitert oder sogar neugestaltet werden kann.”

Lindner 2016, o.S.
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Warum erfordert der aktuelle Wandel Agilität?

Die soziale Technologie des klassischen Managementansatzes des Taylorismus der industriellen Revolution ist nicht mehr an die aktuelle Marktsituation angepasst. Klassisches Management ist die Kunst eine Organisation klar in Denker und Arbeiter aufzuteilen – das Denken aus dem Arbeiten zu separieren. Zum anderen gehört dazu, dass Denken Managern welche wissenschaftlich ausgebildet wurden zu überlassen. Hieraus entstehen Anweisungen, mit welchen für Effizienz gesorgt werden soll. Dieser Ansatz macht zur Vereinfachung und Lösung komplizierter Probleme durchaus Sinn und hat im Zuge der berechenbaren Märkte der Industrialisierung auch zu großen Erfolgen geführt.

Stilp 2021, o.S.

Hierarchie und Top down Steuerungen geraten aber schnell an ihre Grenzen, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld zu einem komplexen System entwickelt. Komplexität bedeutet Überraschungen, Unberechenbarkeit und Notwendigkeit für Flexibilität. Komplizierte Prozesse und Problemlösungen können automatisiert und im Vorhinein absehbar geplant werden. Komplexe Systeme und Aufgaben können kaum vorab geplant werden, hingegen setzen sie ein starkes und flexibles Netzwerk aus Wissen und Kreativität voraus. Der klassische Managementansatz entstand aus der Reaktion auf sich langsam verändernden Märkten mit viel Reaktionszeiten. Durch Digitalisierung und Globalisierungen hat sich die Marktstruktur jedoch zu einem sich schnell verändernden hoch konkurrierenden System entwickelt, auf das immer wieder schnell und flexibel reagiert werden muss.

Diese fluide Dynamik beinhaltet viel Potenzial für Innovation und Kollaboration in Netzwerken und das Reintegrieren von Denk- und Arbeitsprozessen für das gemeinsame Zusammenarbeiten auf Augenhöhe. Der Informationsfluss innerhalb von Organisationen lässt sich nicht mehr, von oben nach unten, zentral steuern, da eine viel engere Interaktion mit der Umwelt nötig ist, um schnell auf Veränderungen und Anforderungen zu reagieren. Eine agile Struktur charakterisiert durch einen Informationsfluss zwischen dem Inneren und Äußeren der Organisation.

Nur die Personen, welche nah mit dem äußeren Kreis der Organisation interagieren und kommunizieren, bekommen unmittelbar die Veränderungen mit und können hiermit diese wichtigen Informationen in den inneren Kreis tragen. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit für Organisationen Entscheidungen zu dezentralisieren und agile Methoden zu integrieren.

Aber warum lohnt sich das agile Umdenken auch auf Organisationsebene? “Die […] Studie wurde von Komus (2020) durchgeführt: […] Die wesentlichen Gründe für die Nutzung agiler Methoden sind laut den Teilnehmern der Studie: Optimierung der Produktentwicklungsgeschwindigkeit (56 %), Optimierung der Produktentwicklungsqualität (39 %), Reduzierung von Risiken (38 %) und Optimierung der Mitarbeiterzufriedenheit (35 %).[…] ” (Lindner 2020, o.S.).

Aus dieser Studie wird ersichtlich, dass durch agile Methoden innerhalb einer Organisation Arbeitsabläufe, sowie Ergebnisse optimiert und das Wohlbefinden der Mitarbeiter*Innen gesteigert werden kann. Dies sind weiterhin die Voraussetzungen für ein produktives Unternehmen, weshalb die Agilität auch den Gewinn maximieren kann.

Wie unterscheidet sich Agilität vom Managementansatz?

Der größte Unterschied zwischen dem klassischen Managementansatz und dem, einer agilen Organisation ist, dass bei dem klassischen Ansatz das Ergebnis des Arbeitsprozesses vor Beginn des Produktdesigns feststeht. Denn in agilen Organisationen werden Ideen gemeinsam entwickelt und entstehen auch erst im Kontakt mit dem Kunden. Genau aus dem Grundgedanken kundenorientiert zu arbeiten entstand die Agile Bewegung in der Softwareentwicklung. Dafür benötigen die Arbeiter*Innen viel mehr Eigeninitiative und Leistungsbereitschaft, sowie ein agiles Mindset, um effektiv zu arbeiten. Dies erlaubt Ungewissheit, in-Frage-stellen von Themen und die Atmosphäre einer Lernkultur (vgl. It-agile o.J., o.S.). Unter agilem Mindset versteht man an dieser Stelle, eine innere Haltung, welche regelmäßige Veränderungen als Normalzustand erachtet. Daraufhin werden Verhaltensmuster situativ angepasst. Mit dieser Einstellung ist Agilität weder ein Werkzeug noch ein Prozess, welcher abgeschlossen wird, sondern eine Grundausrichtung der Organisation. Für das Gelingen eines Veränderungsprozesses hin zur Agilität ist neben dem Mindset auch das Ruleset entscheidend. Ohne ein passendes Ruleset kann das Mindset nicht gelebt werden. Unter dem Ruleset versteht man agile Praktiken, Tools und Methoden als auch die Organisationsstruktur, welche Agilität mit dem richtigen Mindset ermöglichen kann (vgl. Scheller 2017, S.9ff).
Der klassische Managementansatz wird in der neueren Fachliteratur auch als “Wasserfallmethode” beschrieben (vgl. Josua 2019, o.S.).

“Unter Projekten nach der Wasserfallmethode werden im Allgemeinen Projekte verstanden, bei denen eine ausgeprägte Planungsphase am Anfang steht, in der das ganze Projekt geplant wird. Ist die Planung abgeschlossen, werden die geplanten Aktivitäten durchgeführt, in die bestehende Umgebung integriert und das Resultat anschliessend getestet und schliesslich an den Kunden ausgeliefert […]. Allen gemeinsam ist, dass im Wesentlichen von einer Gesamtplanung zu Projektbeginn ausgegangen wird, deren Resultate anschliessend abgearbeitet werden.”

Josua 2019, o.S.

Eine Untersuchung der Standish Group von 2012 verglich diese Ansätze miteinander. Die folgende Grafik zeigt deutliche Unterschiede in ihrer Effektivität auf:

vgl. Josua 2019, o.S.

Hieraus wird ersichtlich, dass die agilen Methoden Organisationen viel Erfolg versprechen können und traditionelle Herangehensweisen durch Agilität verbessert werden können.

»Management ist nichts anderes als die Kunst, andere Menschen zu motivieren.«

Lee Iacocca, US-amerikanischer Manager

Welches Menschenbild wird in zukunftsfähigen Organisationen benötigt?

„Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen.“

Raitner 2019, o.S.

Dieses sogenannte Grundprinzip der Agilität beschreibt, an welcher Stelle derartige Unternehmen mit ihren Arbeitsprozessen ansetzen. Dies beschreibt oftmals einen starken Paradigmenwechsel innerhalb der Organisation. Der Mensch gilt als autonome*r, vertrauensvolle*r, individuelle*r, interaktive*r und eigenmotivierte*r Arbeiter*In. Anstatt also durch starre Strukturen die Ressourcen des arbeitsfähigen Menschen zu irritieren und ihn zum Werkzeug des festgelegten Prozesses zu machen, gilt es, in agilen Organisationen, durch die angemessene Umgebung und Unterstützung besondere Ergebnisse anzuregen, sowie besonders auf den Einzelnen zu achten. Nach diesem Menschenbild müsste die natürliche Motivation und Bereitschaft Leistungen zu erbringen, die Kontrolle und den Motivationszwang in starren Organisationen ablösen, damit der Mensch sich entfalten und innovative Lösungen, sowie Ideen entwickeln kann. Durch diese Freiheit funktioniert der Mensch in der Organisation nicht mehr nur nach Vorschrift, sondern teilt mit seinen Arbeitsprozessen eine starke Leidenschaft, welche zur Eigenentwicklung und zu Arbeitsfortschritten führt (vgl. Raitner 2019, o.S.).

“Agilität bedeutet in erster Linie die Arbeit am System und an diesen entwürdigenden Bedingungen. Der Fokus wechselt von Rollen (Zahnrädchen) und Prozessen (Maschine) kontrolliert von einem Manager hin zur selbstorganisierten Teamarbeit mit einer Ende-zu-Ende Verantwortung für ein hoffentlich motivierendes Produkt. Das schafft Identifikation und bietet dem Einzelnen mehr Raum, sich selbst mit seinen Fähigkeiten besser einzubringen und zu entfalten. Wer es ernst meint mit Agilität, muss daher insbesondere mit dem vorherrschenden Menschenbild der Theorie X, also des prinzipiell arbeitsscheuen Menschen, der motiviert werden muss, aufräumen.”

Raitner 2019, o.S.

Demnach kann eine Organisation mit diesem Menschenbild Organisationsmitglieder*Innen finden, aus deren Arbeit, mit genügend Freiraum und entgegengebrachtem Vertrauen, sowie zur Verfügung gestellten Materialien, bedeutsame Vorhaben erwachen werden.

Vor allem können agile Organisationen das Individuum faszinieren, da sich die agilen Werte in den Persönlichkeiten der Menschen wiederfinden können.  Ein Team kann produktiv und effektiv zusammenarbeiten, wenn Eigenreflektion und das Benennen von Bedenken zum Arbeitsprozess gehören, sowie das Treffen von Entscheidungen und das Ausprobieren dieser, die Aufgabe jedes einzelnen Mitgliedes beschreibt, weil jeder die vollständige Verantwortung für den Prozess und das Ergebnis trägt. Dadurch wird eine unvergleichliche Qualität geschaffen. Kreativität, Partizipation und Chancen für den Einzelnen können in selbstorganisierten Teams, durch gemeinsam entwickelte Strukturen, erhebliche positive Auswirkungen auf Arbeitsprozesse in modernen Organisationen haben (vgl. Schlosser 2018, o.S.). Ein nachhaltiger Wandel einer Organisation beginnt beim Mindset, also der inneren Haltung der Organisation und wird durch das Ruleset, den Strukturen und Arbeitsweisen, die eine Organisation zum Wandel benötigt, realisiert (Scheller 2017, S9. ff).

Stilp 2021, o.S.

Fazit

Daraus ist zu folgern, dass aus der Arbeit in agilen Organisationen, mit dem richtigen Menschenbild und den Strukturen und Regeln dieser Arbeitsweise komplexe Probleme identifiziert und kreative Lösungswege entwickelt werden können. Weiterhin erwächst daraus eine bedeutsame Chance für die Organisationen und ein Anreiz sich und seine Mitarbeiter*Innen durch Agilität zu stärken.

Kritisch ist zu sehen, dass sich die Frage stellt welche Organisation in der Realität die Agile Methode benötigt und welche Probleme eventuell durch andere Steuerungsmethoden besser gelöst werden können.

Weiterführend und im Ausblick beschäftigten sich die Studierenden in einer Diskussion mit der Menge der Agilität in klassisch geführten und sehr großen Organisationen, im Vergleich zu kleineren jüngeren Organisationen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage der Integration von Agilität in die bestehenden Strukturen. Hierarchische Strukturen lösen komplizierte Probleme durch Automatisierung und Wiederholung. Hierbei besteht auch die Möglichkeit eine hierarchische Struktur durch agile Prozesse zu erweitern, um auch auf komplexe Anforderungen reagieren zu können. Dies geschieht bereits in der Realität in Großkonzernen beispielsweise durch Agilitätsabteilungen und wirft auch spannende Fragen für die Zukunft auf. Eine dieser Fragen wäre, ob diese Abteilungen tatsächlich für eine umfassende Agilität der Organisation sorgen, da sie eventuell nicht Prozess- und Abteilungsübergreifend agieren können. So wird der Kern der Organisation nicht verändert und die innere Haltung als auch das Ruleset bleiben gleich. Allerdings sind die nachhaltige Veränderung des Mindset und die Neuausrichtung des Rulesets die Basis einer tatsächlichen Verbesserung durch agile Veränderung einer Organisation. 

Literaturverzeichnis

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