Partizipation und Teilhabe in Unternehmen I

Partizipation und Teilhabe in Unternehmen I

Lesezeit (inkl. Mediennachweis): 5 Minuten

Allgemeiner Hinweis zum Podcast

Ein Podcast der Studierenden Irina Braun, Sophia Stein, Anna Maier und Philippe Schuler im Rahmen des Masterstudiengangs „Gesellschaftlicher Wandel und Teilhabe“ (Master GWT).

Produziert im Wintersemester 2018/19 als Ergebnis des Seminars „Steuerung digitaler Organisationen“ an der Hochschule München.

Demokratische Unternehmen

Im Rahmen des dreiteiligen Podcasts „Organisationen im Wandel“ hat die Moderatorin Irina Braun drei Gäste aus (fiktiven) Firmen zu einem Gespräch zu Gast. Diese erläutern – als Protagonist*innen der jeweiligen Firma – den Aufbau, die Funktionsweise wie auch Probleme des jeweiligen „Bauplans“ (bzw. der Organisationsstruktur).

In dieser Folge geht es um das demokratische Unternehmen, vorgestellt von Sophia Stein. Hier ist das Skript aller drei Teile mit dem Text hinterlegt. Beim Zitieren gilt das gesprochene Wort.

Hier geht es zu Teil 2 der Reihe und hier zu Teil 3.

Inhalt

Irina: Ja liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Heute freue ich mich ganz besonders, euch begrüßen zu dürfen. Nach großer Nachfrage ist dies nämlich die erste Folge meiner neuen Podcastreihe zum Thema „Partizipation und Teilhabe in Unternehmen“. Die Reihe besteht aus drei Podcasts, bei denen ich jeweils eine Expertin oder einen Experten zu Gast habe. Diese werden uns jeweils einen Ansatz oder ein Konzept erklären, wie man Unternehmen demokratischer gestalten kann. Hierbei handelt es sich um die Ansätze der Demokratischen, der holakratischen, sowie der soziokratischen Unternehmensführung.

Ich freue mich jetzt Sophia begrüßen zu dürfen, die uns Rede und Antwort stehen wird, zum heutigen Thema: Demokratische Unternehmen. Herzlich Willkommen, Sophia. Bitte stelle dich doch kurz vor!

Sophia: Hallo liebe Irina, ich freue mich sehr, dass du mich eingeladen hast. Gerne erzähle ich dir etwas über meine Firma und wie sie strukturiert ist.

Ich bin Sophia Stein im Jahr 2000, damals als Student, mit 2 anderen Studenten die Recplast GmbH gegründet. Die RECPLAST GmbH hat heute rund 500 Mitarbeiter und stellt aus Recyclingmaterialien etwa 400 unterschiedliche Kunststoffprodukte her.

Irina: Was macht dein Unternehmen so besonders?

Sophia: Das Unternehmen ist demokratisch geführt, darauf bin ich sehr stolz.

Irina: was muss ich mir/ was müssen sich meine Zuhörer denn unter einer demokratischen Unternehmensführung vorstellen? (Du weißt ja, ich als Innovationsberatung bin auch immer auf der Suche nach neuen digitalen Technologien)

Sophia: Nun, was soll ich sagen? Demokratie ist uns ja allen aus der Politik vertraut. Unser politisches System brauch ich ja nicht zu erklären. Es sei nur gesagt: Demokratie als politisches System hat sich bewährt. Zumindest spricht keiner von einer miesen Erprobungsphase oder bietet neue Ideen für eine bessere Staatsform an. Wieso also nicht die Demokratie mit in die Unternehmen bringen!? Dieser Gedanke hat mich schon vor der Gründung beschäftigt und ließ sich erstaunlich gut umsetzen.

Bei uns ist nicht nur jeder einzelne Mitarbeiter bei der Wahl des CEO und des Managements gefragt, sondern auch bei der Bestimmung aller Prozesse und der Unternehmensstrategie.

Irina: Das klingt spannend, wie wirkt sich das auf den Aufbau deines Unternehmens aus?

Sophia: Grundsätzlich ist in einem demokratischen Unternehmen durchaus eine hierarchische Pyramidenstruktur vorhanden. Das heißt, es gibt einen CEO. Und diverse „Sandwich“ Führungskräfte, je nach Größe des Unternehmens.  Das besondere an demokratischer Unternehmensführung ist aber, dass der CEO, und das Management, also die Führungsebenen, von der Basis gewählt werden.

Ich sag immer: „Den großen Herausforderungen unserer Zeit begegnen wir mit direkter Einbeziehung unserer Mitarbeiter, Teamwork und Kommunikation. Einsame Entscheidungen seitens des Vorstands gibt es bei uns nicht.

Irina: Und was muss ein Unternehmen mitbringen, wenn es eine demokratische Unternehmensführung anstrebt? Sind zum Beispiel bestimmte Technologien notwendig?

Sophia: Haha, ja das weiß ich, aber da muss ich dich leider enttäuschen, besondere Technologien sind bei einer demokratischen Unternehmensführung nicht zwangsläufig notwendig. Sie erleichtern aber die Mitbestimmung der einzelnen Mitarbeiter. Damit geht’s einfach schneller.

Irina: Verstehe, aber es gibt doch sicher einige Rahmenbedingungen die eingehalten werden müssen, damit es demokratisch funktioniert?

Sophia: Ja, das schon. Demokratische Unternehmensführung setzt ein hohes Maß an Transparenz voraus. Auch eine reibungslose und durchgehende Kommunikation ist wichtig. Natürlich sollten alle Mitarbeiter motiviert sein, sich proaktiv im Unternehmen einzubringen. Darauf wird bei Einstellungsgesprächen penibel genau geachtet.

Irina: Und wie hoch ist dann das tatsächliche Potenzial der Mitbestimmung für die Mitarbeiter?

Sophia: Das hängt von der Form der Unternehmensdemokratie ab, grob wird hier in 3 Formen unterteilt (schwach, mäßig oder stark demokratisch).

  • bei sog. schwach demokratischen Unternehmen werden operative Entscheidungen fortlaufend von der Belegschaft mitbestimmt.
  • bei mäßig starken Unternehmen, werden darüber hinaus AUCH taktische Entscheidungen fortlaufend von der Belegschaft mitbestimmt.

•  und bei stark demokratischen Unternehmen: werden operative, taktische und strategische Entscheidungen fortlaufend von der Belegschaft mitbestimmt.

Bei Recplast kann von einem stark demokratischen Unternehmen gesprochen werden.

Irina: Aha, verstehe, es gibt da also Unterschiede und wie muss ich mir das bei ganz großen Unternehmen, mit sehr vielen Mitarbeitern vorstellen? Zum Beispiel bei BMW?

Sophia: Ja, das ist eine berechtigte Frage. Echte Basisdemokratie ist ab einer bestimmten System-Größe eine schwierige Sache: Nicht jeder kann bei allem mitbestimmen. Denn zum einen darf der organisatorische Aufwand der Entscheidungsfindung nicht zu groß werden, zum anderen werden große Personengruppen oft vorrangig durch Stimmungen beeinflusst.

Irina: Was meinst du mit Stimmungen?

Sophia: Also, wenn ich viele tausende Mitarbeiter habe, sind diese ja in Abteilung untergeordnet. Es könnte passieren, dass in einer Abteilung eine Meinung vorherrscht und der Einzelne Mitarbeiter sich nicht in der Lage sieht seine eigene Meinung noch zu äußern.

Irina: Das Konzept ist also noch nicht ganz ausgereift.

Sophia: Das Konzept ist zwar noch jung und die Forschung steht noch am Anfang, es bleibt spannend, welche Erkenntnisse sich ergeben werden. Ich sehe aber täglich den Erfolg und bin zuversichtlich!

Irina: Du hältst es also trotzdem für die optimale Unternehmensführung?

Sophia: Ich habe mir viele konventionelle Unternehmen angeschaut und wenn es nicht rund läuft sehe ich als Haupt-Fehlerquelle das mangelnde Wissen der Entscheidungsträger zu internen Arbeitsabläufen. Ich sehe ich meinen Mitarbeitern, insbesondere in denen die im operativen Bereich arbeiten, die Spezialisten. Sie kennen das Produkt, die Abläufe und die Kunden.

Irina: Das leuchtet mir ein.

Sophia: Ja, es ist simpel. Und die reine Einbeziehung an sich wird von Mitarbeitern unabhängig vom Ergebnis als positives Signal der Wertschätzung gesehen und sorgt für eine höhere Akzeptanz des späteren Ergebnisses. Da Leistungsbereitschaft, Motivation und Innovationskraft stark von der Mitarbeiterzufriedenheit abhängen, kann die Einbeziehung in Entscheidungsprozesse als Investition in die Ressource „Zufriedenheit“ gelten.

Irina: Wer zufrieden ist, erbringt gute Arbeitsergebnisse!

Sophia: Das kann ich beststätigen. Wir bringen unseren Mitarbeitern ein sehr hohes Maß an Vertrauen hinüber. Teil der demokratischen Unternehmensführung ist es auch, der Belegschaft Freiräume und Flexibilität einzuräumen. Wir haben keine Zeiterfassung und auch keine „nine- to -five“ Regelung. Unsere Mitarbeiter schöpfen das volle Spektrum an Arbeitsflexibilität aus. Dies funktioniert nur, wenn die Motivation stimmt.

Irina: so wie du das erklärt hast klingt das nach dem Zukunftsmodell von Unternehmensführung.

Sophia: Ja, das hoffe ich. Ich werde die Idee auf jeden Fall weiter mit vorantreiben. Vielleicht kann ich ja den ein oder anderen Zuhörer durch diesen Podcast überzeugen.

Irina: Vielen Dank, liebe Sophia, dass du heute hier warst und uns das Themenfeld der Demokratischen Unternehmen so viel näher gebracht hast!

Sophia: Ja, vielen Dank dass ich heute hier sein durfte und etwas über demokratische Unternehmensführung berichten durfte.

Irina: Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer vielen Dank fürs einschalten! Wenn ihr das Thema der Partizipation in Unternehmen genauso spannend findet wie ich, dann seid doch auch das nächste Mal wieder dabei. Dann wird Anna hier zu Gast sein, die uns das Konzept der Holacracy näherbringen wird. Habt eine gute Zeit und bis nächste Woche! Eure Irina Braun.

Mediennachweis und Organisatorisches

Literatur

Bild und Musik

Beitragsbild: Geralt – Handshake auf Pixabay. Verwendung unter den Bedingungen der Creative Commons 0.

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